Bisher zielt das Start-up mit seinen Service-Robotern vor allem auf Hotels. Die Corona-Krise könnte nun das Vortasten in andere Branchen beschleunigen.

Eine Chips-Tüte für Zimmer 301, einen Rotwein zu 215 – und eine Tube Zahnpasta für Zimmer 110: Noch vor wenigen Wochen rollten Jeeves und seine Geschwister unermüdlich durch mehre Münchener Hotels, um die Bestellungen der Gäste abzuarbeiten. In der Corona-Krise ergeht es dem Serviceroboter, der optisch entfernt wie eine rechteckige Version von R2D2 aus Star Wars anmutet, nun kaum besser als seinen menschlichen Kollegen. Die Gäste bleiben aus, zu tun gibt es vorerst nichts.

Auch die Schöpfer von Jeeves trifft der Lockdown mit Wucht: Das Gastgewerbe ist bislang die einzige Kundengruppe von Robotise. Das Münchener Start-up wirbt damit, dass der Serviceroboter mit seinen gekühlten Schubladen Minibars auf Hotelzimmern überflüssig macht – und obendrein beim Check-in der Gäste helfen kann. Das Geschäft lief nach Jahren der Entwicklung gerade an. „Für Vertrieb, Marketing und Servicetechniker gibt es gerade weniger zu tun“, sagt Geschäftsführer Oliver Stahl.

Finanzielles Polster

Glück im Unglück: Noch kurz vor der Corona-Krise konnte Robotise eine Finanzierungsrunde abschließen. Geldgeber sind das Family Office eines nicht genannten mittelständischen Unternehmens, mehrere Business Angels und Bayern Kapital, die Wagniskapitalgesellschaft des Freistaats. Seit der Gründung 2017 sind laut Stahl knapp zehn Millionen Euro in das Start-up mit aktuell 30 Mitarbeitern geflossen. „Das Finanzpolster gibt uns nun in die Möglichkeit, im technischen Bereich mit voller Kapazität weiterzuarbeiten.“

Hervorgegangen ist Robotise aus einem Projekt mehrerer Lehrstühle der Technischen Universität München. Das Team habe sehr früh nach Anwendungsfällen gesucht, sagt Stahl. Begeistert von dem Einsatz der Studenten hat der Seriengründer, der auch als Business Angel aktiv ist, dem Start-up mit einem eigenen Investment auf die Beine geholfen. Zuletzt hatte Stahl Entelios gegründet – ein auf Smart Grids spezialisiertes Energietechnikunternehmen, das von Enernoc aus den USA übernommen wurde und später an Agder Energi, einen norwegischen Energiekonzern weiterverkauft wurde.

Roboter lernen Aufzugfahren

Die Entscheidung, sich voll auf Robotise zu konzentrieren und Co-Gründer von Johannes Fuchs zu werden, fiel Stahl nicht schwer. Schon mit 15 Jahren habe er Roboter programmiert – die Faszination für das Thema ist bis heute geblieben. Während die Entwicklung etwa im Logistikbereich, auf den sich beispielsweise Magazino konzentriert, oder im Industriebereich mit Start-ups wie Micropsi weit fortgeschritten ist, sieht Stahl bei seinen Robotern noch eine Nische. Sie sind für den kommerziellen Einsatz im Innenbereich gemacht und böten großes Potential für die Service-Automatisierung und die Intra-Logsitik. „Aktuell haben wir weltweit in dem Umfeld nur zwei direkte Mitbewerber“, sagt Stahl.

Für die Navigation in Innenräumen setzt Robotise auf Kameras, Sensoren und sogenannte Lidar-Systeme, die beispielsweise auch für selbstfahrende Autos genutzt werden. Eine besondere Herausforderung: Jeeves muss beispielsweise in Hotels verschiedene Stockwerke erreichen können. Gelöst habend die Ingenieure das über Schnittstellen zu Aufzügen. Nun geht es für Robotise darum, eine Serienfertigung vorzubereiten – bei den bisher im Einsatz befindlichen Modellen handelt es noch um Einzelstücke. Dazu soll das Fahrgestell neu konstruiert werden, so dass die Teile leichter in Serie gefertigt werden können.

Lieferdienste im Krankenhaus

Vorantreiben will das Start-up zudem die Entwicklung weiterer Aufbauten, die Jeeves für den Einsatz in anderen Branchen qualifiziert. Vor allem die Pflege- und Medizinbranche hat Stahl dabei im Visier. „Die Roboter können bereits heute beispielsweise Lieferdienste zu Patienten im Krankenhaus übernehmen“, sagt der Unternehmer. Seit Corona erreichten das Start-up dazu bereits zahlreiche Anfragen. Der große Vorteil der Roboter: Sie sind leicht zu desinfizieren – und könnten dazu beitragen, die Verbreitung von Viren durch menschliches Personal zu verhindern.

Technisch erfülle Jeeves für solche Einsätze bereits alle Anforderungen, sagt Stahl. Die nötigen Zertifizierungen stünden aber noch aus. Vorangetrieben werden soll das Thema in einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt, an dem das Münchener Start-up als einziger Hersteller von Service-Robotern beteiligt ist. Doch auch hier gibt es nun erst einmal eine Zwangspause, die geplanten Praxisversuche sind vorerst verschoben. „Ich habe die Hoffnung, dass sich durch die Corona-Krise jetzt zumindest im Mindset viel bewegt“, sagt Stahl.