Das Start-up besorgt Bauteile für die Industrie – und setzt dafür auf ein Netz aus Lohnfertigern. Mit einer Übernahme will sich das junge Unternehmen vorarbeiten. Die Krise der Branche kann helfen. Doch die Konkurenz steht bereit.

Ob Fräsen, Schneiden oder 3D-Druck: Wenn Maschinenbauer neue Bauteile für ihre Produktionsstraßen benötigen, ist der Aufwand häufig groß. Die Konstrukteure entwerfen das Teil samt Materialeigenschaften, der Einkauf telefoniert sich dann durch eine Liste möglicher Lohnfertiger. Manchmal könne es auf diesem Weg Wochen dauern, bis das Bauteil tatsächlich geliefert wird, sagt Simon Tüchelmann. Er selbst machte diese Erfahrung, als er das kriselnde Stahlfeingussunternehmen seines Großvaters in Tübingen übernahm.

Die Digitalisierung soll auch hier zu mehr Effizienz verhelfen. Mehrere Start-ups machen sich daran, als eine Art digitaler Vermittler zwischen Anlagenbauer und Lohnfertiger aufzutreten. Das erweitert den Kreis der möglichen Produzenten und beschleunigt die Abstimmung. Tüchelmann gründete 2015 Kreatize – und programmierte erst einmal drei Jahre an einem Algorithmus. Der analysiert heute die CAD-Zeichnungen von Kunden und macht ihnen dann ein Angebot samt der Kosten pro Bauteil. Auf der anderen Seite sucht das Start-up Betriebe, die die Fertigung übernehmen. Von der Preisdifferenz zwischen Ein- und Verkauf lebt Kreatize mit aktuell etwa 50 Mitarbeitern und Büros in Tübingen, Berlin und Breslau.

Kreatize übernimmt Fabrikado

In dem Start-up stecken bereits neun Millionen Euro an Investorengeldern, unter anderem von Risikokapitalgebern wie Earlybird oder Atlantic Labs, aber auch von Klöckner-Vorstandschef Gisbert Rühl. Mit einer Übernahme will Kreatize sich jetzt mehr Marktanteile verschaffen: Das Start-up hat das junge Tech-Unternehmen Fabrikado für einen ungenannten Kaufpreis übernommen. Das ist mit etwa 15 Mitarbeitern in Balingen ansässig – nur 40 Kilometer entfernt von der Kreatize-Keimzelle Tübingen.

Fabrikado arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip, aber fokussiert eher auf kleinere Stückzahlen und Ingenieure statt auf die Einkaufsabteilung. „Wir bringen die verschiedenen Produkte und Preismodelle jetzt zusammen“, sagt Tüchelmann. Fabrikado-Gründer Thomas Hoffmeister wird neben Tüchelmann und Co-Gründer Daniel A. Garcia Rodriguez Teil des Start-up-Vorstands.

Erste Konsolidierung auf einem Mega-Markt

Gleichzeitig sorgt Kreatize so für die erste kleinere Marktkonsolidierung. Denn auch andere Start-ups treten mit sehr ähnlichem Konzept an. Zuvorderst Laserhub, die in Stuttgart eine Plattform für die Blechbearbeitung in der Industrie aufbauen. Vor knapp einem Jahr gab das Start-up eine Finanzierungsrunde im mittleren siebenstelligen Bereich bekannt. Mit besonderem Fokus auf den 3D-Druck, der meistens für Prototypen und Kleinserien zum Einsatz kommt, sind Start-ups wie Rapidobjects oder 3D-Hubs unterwegs.

Noch ist aber für viele Marktteilnehmer viel Luft nach oben, ist Kreatize-Gründer Tüchelmann überzeugt. „Der Markt ist riesig und hat global ein Volumen von mehreren hundert Milliarden Euro“, sagt Tüchelmann, „dazu ist er hoch fragmentiert durch viele mittelständische Unternehmen.“ Für Kreatize stehen Unternehmen mit 500 bis 1000 Mitarbeitern im Fokus – gerne aus Branchen wie der Robotik oder der Elektromobilität. Etwa die Hälfte der aktuellen Aufträge komme durch direkte Anfragen zustande, schätzt Tüchelmann, die andere durch mühsames Abtelefonieren von Anlagenbauern.

Maschinebau-Krise als Chance für Start-ups

Die Krise der Branche sehen die meisten Start-ups dabei eher als Chance. Der industrielle Mittelstand hat nach vielen guten Jahren aktuell zu kämpfen. Dadurch seien viele Unternehmen darauf angewiesen, die Effizienz zu steigern und die Lieferketten zu durchleuchten, so Tüchelmann: „Dadurch rückt der Einkauf wieder in den strategischen Fokus von Unternehmen.“

Zudem wachse das Netzwerk an Lohnfertigern in einem Abschwung schneller: „Die Lieferanten haben hohe Fixkosten durch ihren Maschinenpark – da bedeutet eine gute Auslastung alles“, erklärt Tüchelmann. Als Kreatize 2018 nach drei Jahren Tüftelei auf den Markt ging, sei es schwer gewesen, freie Kapazitäten bei den eigentlichen Produzenten zu finden. „Jetzt stehen sie gewissermaßen virtuell vor unserer Tür“, sagt Tüchelmann.