Der E-Commerce verändert den Handel. Start-ups wie MyMüsli profitieren davon. Der Verkaufsexperte und Professor Hendrik Schröder erklärt im Interview, warum gerade sie im Netz Erfolg haben.
Ein gutes Produkt allein reicht längst nicht mehr aus, um erfolgreich zu sein, sagt Verkaufsexperte Hendrik Schröder. Der Professor für Marketing und Vertrieb findet vielmehr Gefallen daran, wie Start-ups mit neuen Verkaufs- und Servicekonzepten den Handel umkrempeln. Doch auch über ihren Erfolg entscheidet letztlich der Markt. Im Interview mit WirtschaftsWoche Gründer erklärt der Experte, wie Start-ups im E-Commerce erfolgreich werden – und warum auch Scheitern wichtig ist.
Herr Schröder, der Onlinehandel bietet längst mehr Möglichkeiten, als bloβ Produktkataloge ins Internet zu stellen. Die Kunden verlangen mehr. Ist das eine Lücke, deren Ausmaße Start-ups mit ausgefallenen Vertriebsmodellen erst deutlich gemacht haben?
Ich will mal die folgende These formulieren: Gründer von den Start-ups, die Sie meinen, denken anders; sie denken in anderen Prozessen. Das ist jetzt sehr schwarz-weiß dargestellt und natürlich gibt es auch andere Beispiele, aber: Ein stationärer Händler denkt zu sehr in seinen bisher durchgeführten Prozessen. Das sind Trampelpfade, von denen die Händler teilweise nicht abkommen. Start-ups denken in ganz anderen Kategorien. Sie lösen die klassischen Prozesse auf und überlegen sich, wie sie bestimmte Leistungen anbieten können, um sie einen zu Mehrwert schaffen, den es bislang nicht gegeben hat. Das hat viel mit Logistik zu tun, das hat viel mit digitalisierbaren Produkten zu tun, das hat viel mit der Individualisierung und Personalisierung von Leistungen zu tun. Das sind die Ideen, die wir wiederfinden, wenn wir über neue Geschäftsideen und Geschäftsmodelle von Start-ups nachdenken.
Ist die Start-up-Szene also Impulsgeber für den Handel im Gesamten?
Absolut! Ich behaupte mal, da kommen die meisten innovativen Konzepte her. Wissen Sie, wir beklagen immer den Rückgang bei den stationären Geschäften. Die wenigsten erwähnen aber, dass wir eine sehr, sehr große Zahl von Neugründungen haben, die sich mit digitalisierbaren Geschäftsprozessen beschäftigen. Nehmen Sie das ganze Thema „Solution selling“: Es bedeutet nichts anderes, als dass man Produkte, die lange als nur stationär verkaufbar galten, mittlerweile online anbieten kann.
Könnten Sie ein Beispiel nennen?
Triviales Beispiel: Reifenkauf. Bisher hat man nach einem Händler in der Nähe geschaut und fragte dort an. Mittlerweile läuft das anderes: Sie holen von spezialisierten Plattformen Angebote ein. Nun das Stichwort „Solution Selling“: Diese Plattformen schlagen Kooperationspartner aus Werkstätten im unmittelbaren Umfeld vor, die dem Kunden die Reifen aufziehen, die er online bestellt hat. Was ich gerade in dünnen Worten skizziert habe, findet sich in vielen Branchen. Die zentrale Leistung ist eine Informationsleistung. Die Technik versetzt uns in die Lage, in neuen Prozessen zu denken. Dieses Querdenken kommt oft von Menschen, die unbelastet sind von bisherigen Geschäftsmodellen.
Fällt Ihnen spontan ein konkretes Beispiel aus der Start-up-Szene ein?
Nehmen Sie MyMuesli, nehmen Sie Chocri. Das konnte man sich ja vorher nicht vorstellen, dass jemand ausschließlich Müsli oder Schokolade verkauft. Aber beide Start-ups bieten ihre Produkte individualisiert an – der Kunde stellt die Zutaten selbst zusammen – und das mit Erfolg. Es lässt sich lange rätseln, warum darauf nie ein stationärer Händler gekommen ist.
Joachim Krause
Ziemlich einseitige Haltung was das Thema Beratungsklau angeht – ein Stationärer Einzelhandel hat eine andere Kostenstruktur als ein auf Logistik getrimmter Online-Anbieter – von daher kann er – solange er es nicht schafft, seine Stationäre Leistung (Vorhalten von Ware, Produktbemusterung, Anprobe, Abnahme von gesamten Sortimenten) auch ohne den Verkauf der Ware monetär vergütet zu bekommen – aussterben da der Kunde durch sein Kaufverhalten – an-/ausprobieren im Laden, kaufen da wo es am billigsten ist – nicht demjenigen den Umsatz zukommen läßt, der die Ware eigentlich verkauft hat, sondern dem Abstauber, der andere die Arbeit machen läßt und durch seine niedrigen Preise als vermeintlicher Vorteil des Kunden den Auftrag generiert.
Erst wenn es keine Möglichkeit mehr gibt, vor ORt Dinge aus- /anzuprobieren und die Retourquoten beim Onlinehändler zwangsläufig weiter steigen wird König Kunde merken, was ihn der billige eCommerce gekostet hat….
Hans-Joachim Kleine
@Joachim Krause: Die meisten Kunden, die ins Ladengeschäft kommen, sind doch oftmals schon durch irgendwelche Internetartikel, Foren & Onlinetestberichte etc. zu Tode beraten oder völlig überfordert und wollen anschauen und schlussendlich auch kaufen. Das Problem ist eher, dass viele “Verkäufer” wenig Zielführende Beratungsgespräche führen, statt kurz zu sondieren, was der Kunde überhaupt mag und dann ihm in einem knackigen Verkaufsgespräch die richtige Ware zu verkaufen.
Wenn der Kunde schon im stationären Ladengeschäft angekommen ist, dann gilt für den Einzelhändler das gleiche wie für den fetten Online-Store; eine möglichst hohe “Conversion-Rate” zu schaffen. Und auch hier gelten ähnliche Prinzipien wie im Online-Handel: Schnelle Verfügbarkeit des gewünschten Produkts, hohes Vertrauen in den Verkäufer & Unkomplizierte Abwicklung des Verkaufs.