Design Thinking klingt innovativ und es soll auch zu Innovationen führen. Doch wie funktioniert es eigentlich und was hat man wirklich davon? Drei Start-up-Gründer berichten.
Was passiert, wenn man ein halbes Dutzend Menschen unterschiedlicher beruflicher Hintergründe in einen lichtdurchfluteten Raum mit rollbaren Möbeln und vielen Whiteboards sperrt und ihnen ein vages Problem und einen Berg Blanco-Post-its vorwirft? Idealerweise finden sie eine atemraubende Lösung. Vielleicht sogar eine, die sich zu einem Start-up ausbauen lässt. So jedenfalls lautet in etwa die Idee des Design Thinkings.
Design Thinking versucht – wie der Name schon andeutet –, die Denkweise von Designern auf ganze Projekte zu übertragen. Stellt sich die Frage: Wie ticken Designer? Eine einheitliche Antwort darauf gibt es nicht; ebenso gibt es keine einheitliche Definition von Design Thinking. Aber drei Aspekte werden immer wieder als wichtige Bestandteile genannt: Nutzerorientierung, Interdisziplinarität und rasches Testen von Prototypen. Gerade Letzteres scheint für Start-ups wie gemacht, erinnert es doch an Lean Start-up. Doch es ist mehr als das.
Wunderflats: vom Studentenportal zur Zwischenmietvermittlung
„An Design Thinking kommt man ja heute bei Gründungen und Innovationen nicht mehr vorbei“, meint Arkadi Jampolski, Mitgründer von Wunderflats, einem Berliner Start-up, das per Online-Portal Wohnungen auf Zeit vermittelt. Jampolski hat gemeinsam mit seinem Mitgründer Jan Hase einen zweitägigen Workshop über Design Thinking am Hasso-Platter-Institut (HPI) in Potsdam gemacht.
Das HPI ist in Deutschland die erste Adresse, wenn es um Design Thinking geht. SAP-Gründer Hasso Plattner hat die Design-Thinking-Idee auch international ausschlaggebend vorangetrieben. 2003 gründete er gemeinsam mit dem Professor David Kelley und anderen Design-Thinking-Vätern eine D-School an der Universität Stanford. Vier Jahre später eröffnete das Pendant in Potsdam.
Hier – in offenen Räumen mit mobilen Möbeln und vielen Whiteboards – sollen Design-Thinking-Interessierte an realen Fällen die hohe Kunst der kreativen Problemlösung lernen. Zum Beispiel für das Problem Beinprothesen in Entwicklungsländern anzupassen, ohne dass wiederholte Arztbesuche nötig sind. Neben kurzen Workshops bietet das HPI ein ein oder zwei Semester langes Studium an.
Ellen Blümm
Design Thinking ist nicht nur für Neu-Gründer eine Chance: Für viele große deutsche und internationale Unternehmen ist die Methode mittlerweile fester Bestandteil ihrer Innovationskultur. Sie etablieren Teams, Räume und Projekte, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die ihnen bei der Ausrichtung auf Zukunftsfähigkeit helfen. Design Thinking unterstützt nämlich nicht nur die Kreativität von Unternehmen, sie hilft vor allem dabei, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der es um Lösungen und nicht um Hierarchien und die Profilierung Einzelner geht. Meiner Meinung nach hat dieser Ansatz das Potenzial unsere Zusammenarbeit ganz neu zu definieren und damit Antworten auf aktuelle Herausforderungen wie Digitalisierung, Individualisierung oder Gender Shift zu finden.
Max
Design Thinking und Lean-Startup sind beides Methoden, die mit Kundenperspektive bei der Ideengenerierung arbeiten, beide arbeiten zudem mit interdisziplinären Teams. Aber ermöglicht Design Thinking bereits ein fertiges Produkt am Ende des Prozesses? Nein, auch hier entsteht am Ende eine Art Prototyp oder MVP. Also muss auch hier ein “trial and error” Prinzip Anwendung finden, denn selbst wenn man glaubt den Kundennutzen zu kennen, heißt das noch lange nicht, dass man ihn mit der ersten gefundenen Lösung tatsächlich oder ausreichend befriedigt. Build, Measure, Learn heißt das Prinzip, und das ist der zentrale Gedanke der Lean-Idee. Mit welchen Methoden man das ausfüllt, entscheidet sich je nach Situation und nach der Komplexität des Kontextes (z.B. wie homogen/heterogen ist das Team?). Da helfen Erfahrung und “T-shaped knowledge” in den vielfältigen Methoden, die es für die jeweilige Situation gibt. Die hat man entweder inhouse oder man holt sie sich extern rein in Form von Prozess-Coaches. Letzteres ist gerade für traditionelle Unternehmen in der Transformation die beste Option, um die neue Herangehensweise zu etablieren und gleichzeitig die Mitarbeiter bei diesem Wandel mit ins Boot zu holen und zu überzeugen.
Jan
Ich stimme der Ellen hier zu. Design Thinking ist eine Chance für jedermann. Keine Technologie ist irgendwann am Ende Ihrer Entwicklung. Es geht immer weiter und weiter. Je eher ein Unternehmen sich mit der Weiterentwicklung beschäftigt, desto mehr Chancen hat er am Zukunftsmarkt. Ein Beispiel ist die klassische Telefonkonferenz. Vergleicht man mal den Serivce von http://www.telefonkonferenz.de mit zum Beispiel GoToMeeting, wird schnell klar, dass GoToMeeting eigentlich nur eine Erweiterung des klassischen Telefonkonfernenz-Service ist. Die Entwicklung eines Screen Sharings hätte der klassische Anbieter durch die Design Thinking Methode locker entwickeln können, haben Sie aber nicht (evtl. nicht auf Wachstum ausgelegt). Was ich damit sagen will, ist das jedes Unternehmen m.M. diesen Ansatz intensiver verfolgen sollte, sowohl für interne als auch externe Prozesse. Und ich muss dem Max wiedersprechen: Die Lean-Startup-Methode hat nichts mit einer Ideengenerierung zu tun. Hierbei geht es doch nur darum eine bereits fertige Idee oder Teilidee sehr schnell und effektiv zu testen und auf Erfolg zu prüfen. Die Idee steht schon vor der Lean-Methode.