Alles auf Anfang: Erfolgreiche Gründer blicken in unserer Serie zurück auf ihre Studienzeit. Wie die Münchener Ludwig-Maximilians-Universität helfen konnte, berichtet Veronika Schweighart von Climedo.
In turbulenten Zeiten gerät die Rückschau schnell in Vergessenheit. Deshalb bitten wir Gründerinnen und Gründer zum Jahreswechsel, sich auf ihre Anfänge zurückzubesinnen. Und sich zu erinnern, wie ihr Studium zu den heutigen Erfolgen beigetragen hat – und was in der Förderung hätte besser laufen können. Es antworten jeweils Alumni der Hochschulen und Universitäten, die im vergangenen Jahr laut einer Auswertung der PR-Agentur Tonka die meisten Exits hervorgebracht haben.
Den Anfang macht Veronika Schweighart, die 2017 die Münchener Software-Firma Climedo Health mitgegründet hat. Sie verantwortet Marketing, Vertrieb und Personal des Start-ups mit inzwischen mehr als 25 Mitarbeitern, das Daten aus medizinischen Studien verwaltet und analysiert. Mehr als 20.000 Mitarbeiter von Forschungsinstituten, Pharmafirmen, Medizinprodukteherstellern oder Kliniken nutzen die Plattform, um Studienergebnisse zu sichern und auszuwerten. Auch die Probanden selbst können über die Cloud-Anwendung Tagebuch führen und etwa Symptome oder Nebenwirkungen erfassen. Eine wichtige Lösung auch für zahlreiche Gesundheitsämter, die seit Ausbruch der Corona-Pandemie auf die Climedo-Plattform zurückgreifen, wie das Handelsblatt berichtete.
Den Grundstein für ihre Laufbahn als Unternehmerin legte Schweighart an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München – die Hochschule belegt einen geteilten dritten Platz im Exit-Ranking. Dort hat Schweighart vor fünf Jahren ihren Master in BWL abgeschlossen. Unmittelbar nach dem Studium baute sie die Collaborations-Plattform Nuclino mit auf, bevor sie sich ihrem heutigen Gründungsteam anschloss. Die LMU hat sie in erster Linie mit wichtigen Kontakten versorgt, erklärt Schweighart im Interview.
Frau Schweighart, womit hat die Uni am meisten zu Ihren bisherigen Start-up-Erfolgen beigetragen?
Als Handwerkszeug hat mir das logische Denken im BWL-Studium viel gebracht. Auch die vielen Erfahrungen in und außerhalb des Hörsaals, zum Beispiel in Praktika, waren wichtig für meine Persönlichkeitsentwicklung. Letztlich ist das Gründen aber vor allem „Learning by doing“. Um überhaupt starten zu können, braucht es Zugang zu Netzwerken und gute Kontakte. So hat mir die LMU am meisten geholfen: Indem sie mir den Weg ins Center for Digital Technology and Management (CDTM) geebnet hat. Denn die Erfahrungen dort waren für mich ausschlaggebend, um als Unternehmerin zu starten.
In der gemeinsamen Start-up-Schmiede der LMU und der Technischen Universität München (TUM) habe ich das Zusatzstudium „Technology Management“ abgeschlossen. Pro Semester werden nur 25 Personen aufgenommen, es entstehen also auch viele enge Kontakte. Meine Mitgründer Sascha Ritz und Dragan Mileski, ursprünglich von der TUM, haben dort ebenfalls Kurse belegt. In einer der jahrgangsübergreifenden Veranstaltungen haben wir uns kennengelernt, über unsere jeweiligen Projekte gesprochen – und letztlich über die Jahre hinweg angefreundet. Als ich 2017 bei Nuclino aufgehört habe, hatten die beiden gerade das Exist-Stipendium für Climedo erhalten – und mich gefragt, ob ich als dritte Gründerin einsteigen will.
Was war das beste Studienfach?
Spannend fand ich vor allem Innovationsmanagement von Professor Dietmar Harhoff. Bei ihm habe ich auch meine Masterarbeit geschrieben, als er bereits am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb war. Sehr gut fand ich auch die Vorlesungen zu Leadership von Professor Ingo Weller. Da waren wichtige Softskills dabei, und die angesprochenen Fragen haben zum Philosophieren angeregt: Wie sieht beispielsweise gute Führung aus? Und wie kann das Management evidenzbasiert dorthin kommen – also mit Methoden der Forschung statt nur mit dem Bauchgefühl?
Welche Inhalte aus dem Studium haben Sie zuletzt im Start-up-Alltag weitergebracht?
Um beim Beispiel evidenzbasiertes Management zu bleiben: Wir holen uns als Führungsteam systematisch Feedback ein. Das heißt, wir Gründer setzen uns mindestens einmal im Monat im Vieraugengespräch mit unseren direkten Mitarbeitern zusammen, und fragen, wie es läuft. Zusätzlich gibt es jedes Quartal eine große Befragung aller Mitarbeiter im Start-up. Die methodische Basis bildet der „Engagement-Index“ der Marktforscher von Gallup, der eine Idee davon vermittelt, wie motiviert unsere Teammitglieder sind.
Zudem fragen wir qualitativ ab, was wir verbessern können. Die Ergebnisse veröffentlichen wir intern und nehmen als Gründungsteam offiziell Stellung dazu, was wir daraus machen. Zum Beispiel gab es das Feedback, dass der Start des wöchentlichen Teammeetings am Freitag um 17 Uhr zu spät sei. Wir haben dann den Kompromiss gefunden, die Dauer von einer Stunde auf eine halbe zu verkürzen. So kommen alle pünktlich um 17.30 Uhr aus dem Büro, und wir schließen die Woche davor gemeinsam ab.
Zum Thema Feedback-Kultur hat das Studium ein paar gute Impulse geliefert: Wie zum Beispiel Lob und Kritik psychologisch auf eine Person wirkt – und was es bei welchen Persönlichkeitstypen zu beachten gilt. Außerdem habe ich tatsächlich einmal auch mathematische Gleichungen wieder herausgesucht: zu einem Optimierungsproblem, das mir im Marketing begegnet ist. Da habe ich darüber nachgedacht, wie sich der optimale Preis errechnet, zu dem wir noch für Online-Anzeigen mitbieten sollten – um an mehr Klicks zu kommen.
Und was kann die Uni in der Gründerförderung noch besser machen?
Gerade das LMU Entrepreneurship Center (EC) könnte seine Start-up-Aktivitäten sichtbarer machen. Vom regelmäßigen Networking-Event „Leading Entrepreneurs“ zum Beispiel habe ich erst nach meinem Studium gehört – als ich selbst als Gründerin damals noch von Nuclino für einen Vortrag eingeladen wurde. Dabei ist die Veranstaltung, bei der Alumni-Start-ups vorgestellt werden, eine gute Gelegenheit, um ins Gespräch zu kommen. Ich war überrascht, wie viele Menschen damals dabei waren. Sicherlich hat das einige Teilnehmer inspiriert.
Außerdem könnte die LMU das interdisziplinäre Arbeiten stärker fördern, was zum Beispiel am CDTM schon gut klappt. Denn gerade für potenzielle Gründer aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich kann es sehr interessant sein, mit Fachbereichen wie Jura oder Informatik in Kontakt zu kommen. Das Vernetzen fehlt bei dem stark wissenschaftlichen Fokus der LMU noch teilweise: Aus meinem Master-Jahrgang mit 120 Personen weiß ich von gerade mal einer Handvoll Gründer.