Pakete, Medikamente, Lebensmittel: Das Darmstädter Start-up entwickelt eine Drohne für Mittelstrecken. Dank einer Millionen-Finanzierung soll das Projekt bald weltweit noch häufiger abheben.
Malawi, Japan, Kanada, Norwegen, Irland: In zahlreichen Ländern ist der Wingcopter bereits gestartet. Die Drohne transportiert unbemannt Fracht über Strecken von bis zu 120 Kilometern. Das können gewöhnliche Pakete sein, aber auch lebenswichtige Lebensmittel-Lieferungen oder Medikamente, die zügig in unzugängliche Gebiete gebracht werden müssen.
Die Heimatbasis des Wingcopter liegt dabei in Darmstadt. Hier entwickelt ein 35-köpfiges Team die Drohne. Die technische Besonderheit: Die Rotoren schwenken nach einem Senkrechtstart um – und treiben das Fluggerät dann mit höherem Tempo wie ein Propellerflugzeug voran. Die Rekordgeschwindigkeit lag bei 240 Stundenkilometern, ähnlich einem Hubschrauber. Nach einem ähnlichen Schwenk-Prinzip funktioniert die Entwicklungen von Lilium, die Münchener konzentrieren sich jedoch auf ein Flugtaxi für menschliche Passagiere.
Millionen-Finanzierung für den Schwenk-Mechanismus
Der Wingcopter soll dagegen langfristig den „Bereich Logistik in der dritten Dimension“ bedienen, sagt Mitgründer und Vorstandschef Tom Plümmer gegenüber WirtschaftsWoche Gründer. Seit zwei Jahren werden die Darmstädter Drohnen bereits verkauft. Zudem übernimmt Wingcopter gegen eine Gebühr auch den gesamten Flugbetrieb für Drohnenprojekte. Das Start-up habe sich daher bislang aus eigenen Mitteln finanziert.
Nun will das Start-up jedoch weltweit abheben: Dafür holt sich Wingcopter erstmals einen institutionellen Investor an Bord. Die in Singapur ansässige Vermögensverwaltung Corecam Capital Partners steckt einen nicht näher genannten Millionenbetrag in Wingcopter. Der „einzigartige Schwenkrotor-Mechanismus sowie die starke globale Patentabsicherung und das Interesse von Bluechip-Kunden“ seien ausschlaggebend für das Investment gewesen, sagt Corecam-Verantwortlicher Martin Lechner. Wingcopter will jedoch bald nachlegen: Eine weitere Finanzierungsrunde sei bereits in der Vorbereitung, heißt es von dem Start-up.
Drohnenlieferung für Patienten und Online-Besteller
Ganz konkret liege der Fokus aktuell im Aufbau von Infrastrukturen in der Gesundheitsversorgung, ergänzt Plümmer. Mit DHL, der Entwicklungszusammenarbeitsorganisation GIZ oder Unicef hat Wingcopter nach eigenen Angaben bereits Projekte durchgeführt. In Irland wurde kürzlich die Lieferung von Insulin über eine Strecke von 21 Kilometern getestet.
Zudem habe man „große Ambitionen im Bereich der Zustellung von Paketen und Essen“, sagt Plümmer gegenüber WirtschaftsWoche Gründer. In Kürze will das Start-up die Kooperation mit einem „renommierten Partner in den USA“ verkünden. Dort arbeitet Logistikriese Amazon unter dem Projektnamen „Prime Air“ auch immer wieder an der Zustellung von Paketen via Drohne. In diesem Juni veröffentlichte der Konzern das neue Design seiner Frachtdrohne, die kleine Pakete innerhalb von 30 Minuten an Kunden zustellen soll.
Ringen um die Regulatorik
Eine große Herausforderung – vor allem in Europa – ist jedoch immer noch die Regulatorik. In Deutschland etwa ist das Fliegen außerhalb der Sichtweite eines Drohnenpilotens am Boden nur mit Sondergenehmigungen erlaubt. Man hoffe jedoch auf eine europäische Verordnung, die im kommenden Sommer in Kraft treten soll, so Plümmer: „Die Regularien stellen zwar einen großen Aufwand dar, führen aber zu einer Vereinheitlichung in Europa und dazu, dass manche Betriebsformen überhaupt möglich sind.“ Auch andere deutsche Drohnen-Start-ups, wie etwa Flugvermittler Fairfleet, dürften diese neuen Gesetze begrüßen.
Wingcopter hob in den vergangenen Jahren vor allem dort ab, wo bereits entsprechende Gesetze in Kraft sind. Auf einen lukrativen Markt will das Darmstädter Start-up, das an der dortigen Technischen Hochschule entstanden ist, jedoch verzichten: „Militärische Projekte, bei denen oft außerhalb der normalen Regulatorik operiert wird, schließen wir strikt aus“, sagt Plümmer. Die moralischen Ambitionen des Start-ups sind ebenso hochfliegend wie die Drohnen: Man konzentriere sich darauf, „Leben weltweit zu verbessern und zu retten“, so Plümmer.