Das Start-up hat einen „Flagship-Store“ in der Kölner Innenstadt eröffnet – und plant nun weitere Filialen in ganz Deutschland.

Nichts soll an klassische Bestattungsinstitute erinnern: Statt auf dicke Vorhänge blicken Passanten von außen durch ein großes Schaufenster. Innen stehen keine Särge und Urnen, sondern Regale mit Duftkerzen, Büchern und ungewöhnlichen Trauerkarten. An einer Wand sind Fotos eines mexikanischen Totenfestes ausgestellt. Kunden werden an einem großen, mit einem iPad bestückten Stehtisch empfangen, im hinteren Bereich des Ladenlokals trennen dünne Baumstämme einen Bereich für längere Beratungsgespräche ab. „Uns ist wichtig, dass man schon draußen sehen kann, was wir hier machen“, sagt Björn Wolff. „Wir stehen für einen offenen Umgang mit dem Tod.“

Stolz führt der Mitgründer und Geschäftsführer von Mymoria durch das Ladenlokal in der Kölner Innenstadt. Corona-bedingt fällt die geplante Eröffnungsfeier aus, stattdessen gibt es Einzeltermine mit Journalisten und Geschäftspartnern. Für das Anfang 2016 gegründete Start-up ist der „Flagship Store“ ein großer Schritt – denn bisher hat sich Mymoria als reiner Online-Bestatter positioniert. Die Eröffnung der Kölner Filiale soll nun den Auftakt für eine große Expansion in die Offline-Welt bilden. „Unser Ziel ist es, auch physisch in ganz Deutschland vertreten zu sein“, sagt Wolff. Anfang November soll bereits nächste Ladengeschäft in München öffnen – weitere große Städte sollen folgen.

Markenbildung in der Innenstadt

Als Strategieschwenk will der Gründer das indes nicht verstanden wissen. „Wir haben bewiesen, dass Online-Bestattungen sehr gut angenommen werden – auch wenn wir am Anfang einer großen Skepsis gegenüberstanden.“ Mehrere tausend Kunden hätten Bestattungen bereits online und über die telefonische Beratung geplant. Die Stores seien eine sinnvolle Ergänzung: Einerseits erreiche man so Kunden, die tatsächlich auf eine persönliche Beratung vor Ort nicht verzichten wollen. Andererseits stärke man so die eigene Bekanntheit. Das Kalkül: Passanten nehmen die Marke auf ihrer Shopping-Tour durch die Innenstadt war und erinnern sich bei einem Todesfall daran. Angeboten werden im Laden außerdem Vorsorge-Gespräche.

Mymoria-Gründer Björn Wolff. Foto: Christian Soult / Mymoria

Knapp 100 Quadratmeter ist das Kölner Ladengeschäft groß – darunter befindet sich ein Keller, das als Lager dient, auch für Urnen und Särge. Dahinter steht eine weitere strategische Neuerung: Mymoria setzt in Metropolregionen bei Überführungen und der Vorbereitung von Trauerfeiern stärker auf eigenes Personal. Bisher übernehmen das vor allem andere Bestatter, die das Start-up als Subunternehmer beauftragt. „Wir werden aber auch weiterhin mit lokalen Partnern zusammenarbeiten“, sagt Wolff. Sorge, diese mit der Eröffnung eigener Filialen zu brüskieren, habe er nicht. „Es gibt viele Bestatter, die gerne noch stärker mit uns zusammenarbeiten wollen.“ Den Unternehmen bringe das ein einträgliches Zusatzgeschäft.

Auch beim Aufbau der Filialen arbeitet Mymoria teilweise mit Externen zusammen. So entsteht laut Wolff der Münchener Store in einem Franchise-Modell. Betreiber dort sei ein Partnerunternehmen. Die Kunden sollen davon indes nichts mitbekommen: Die Innenrichtung und die Dienstleistungen gleichen sich – nicht zuletzt, weil dieselben Computersysteme genutzt werden. Mymoria gibt an, viele Arbeitsschritte digitalisiert zu haben, etwa die Abmeldung des Verstorbenen von Renten- und Krankenversicherung. Auch die Kommunikation mit Kunden und Partnern wurde zum Teil automatisiert. So werden E-Mails mit Status-Updates generiert, wenn beispielsweise eine Kremation erfolgt ist.

Frisches Kapital von Bestandsinvestoren

Für den Aufbau der Filialen hat das aktuell 30-köpfige Start-up im Frühjahr frisches Wagniskapital von Bestandsinvestoren bekommen. Die Summe will Wolff nicht nennen. Zum Gesellschafterkreis gehören unter anderem der Tech-Investor Egora Holding, die Risikokapitalgeber Btov und Howzat Partners und seit 2018 auch Dieter von Holtzbrinck Ventures. Mit einem ähnlichen Ansatz wie Mymoria ist in der Start-up-Welt das ebenfalls von Wagniskapitalgebern unterstützte Unternehmen November unterwegs. Hinzu kommen Preisvergleichsportale, die als Vermittler arbeiten.

Die Corona-Krise hat sich auf die Geschäfte von Mymoria bisher kaum ausgewirkt. Zwar fallen viele Trauerfeiern aktuell wegen der Kontaktbeschränkungen kleiner aus. Dafür suchten mehr Menschen dezidiert nach Online-Dienstleistungen, sagt Wolff. In der Branche insgesamt gab es zwar Umsatzeinbußen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht. Insgesamt seien die Mindereinnahmen dadurch aber nicht gravierend – nur wenige Bestattungsunternehmen hätten staatliche Hilfen in Anspruch genommen.

 

Transparenzhinweis: An Mymoria ist die DvH Ventures beteiligt. Die Handelsblatt Media Group ist Teil der DvH Medien, zu der auch DvH Ventures gehört.