Viele Anwälte nehmen Legaltech-Start-ups als Bedrohung wahr. Zu unrecht, denn die Digitalisierung bringt spannende neue Geschäftsmodelle mit sich, sagt Niklas Veltkamp.

Mittwoch ist Kolumnentag bei WirtschaftsWoche Gründer: Heute schreibt Niklas Veltkamp, Mitglied der Geschäftsführung beim Branchenverband Bitkom und dort für Start-ups zuständig.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie kommen abgehetzt, aber immerhin rechtzeitig zwei Stunden vor Ihrem Abflug in den Urlaub am Flughafen an – und stellen dann fest, dass die Airline den Start um drei Stunden nach hinten verschoben hat.

Früher wie heute dürfte ein solches Erlebnis vor allem für zwei Dinge gesorgt haben: Ärger und Frustration.

Doch es gibt einen Unterschied, denn während man sich vor einigen Jahren schon über ein Freigetränk während der Wartezeit gefreut hat, bekommt man heute ohne großen Aufwand eine finanzielle Entschädigung – und zwar ohne sich selbst den Stress anzutun, einen Anwalt aufsuchen zu müssen. Legaltech-Start-ups wie Flightright, Flugrecht oder EUclaim machen es möglich, dass sich das eigene Recht mit nur wenigen Klicks durchsetzen lässt. Dazu nutzen die Start-ups Technologie, um in Echtzeit die Chancen für die Durchsetzung einer Entschädigung auf Grundlage der Reisedaten zu berechnen.

Sind LegalTechs der neue Stern am Start-up Himmel?

Und nicht nur in Sachen Fliegen tut sich was: Die Fahrgastrechte auf der Schiene bei Verspätungen will das Start-up Bahn-Buddy durchsetzen, und wer mit dem Auto unterwegs ist und einen Bußgeldbescheid für einen vermeintlichen Verkehrsverstoß bekommt, kann bei Geblitzt.de rasch herausfinden lassen, ob alles seine Richtigkeit hat, und sich bei Bedarf einen Verkehrsrechtsanwalt vermitteln lassen. Und auch für Fragen und Probleme jenseits des Verkehrsrechts bietet das Berliner Start-up advocado die Möglichkeit, einen geeigneten Anwalt zu finden, indem man auf der Plattform sein Problem schildert und sich dann passende Experten für das Mandat ´bewerben´.

Steht nach FinTech, InsurTech, PropTech also mit dem Thema Legaltech ein neuer Star der Start-up-Szene in den Startlöchern? Verbraucher, innovative Start-up-Gründer und Investoren würde das jedenfalls freuen.

Ein Problem namens Rechtsdienstleistungsgesetz

Weniger Gefallen an dieser Entwicklung dürfte allerdings eine andere Gruppe finden: Die der Anwälte. Denn in Deutschland regelt das Rechtsdienstleistungsgesetz akribisch wer gegenüber wem und in welchen Fällen eine Rechtsdienstleistung erbringen darf – und vor allem wer nicht. So hat die Berliner Rechtsanwaltskammer kürzlich drei Berliner Start-ups erfolgreich abgemahnt, die Mietern bei der Rechtsdurchsetzung gegen ihre Vermieter helfen wollten. Und wer jetzt denkt, dass die Start-ups dann eben einfach nur einen Anwalt beschäftigen müssen, der irrt leider. Denn auch Anwälte dürfen nicht einfach technische Lösungen einsetzen, die dann eine Rechtsberatung vornehmen, ohne dass sie bzw. ein anderer menschlicher Anwalt sich der Sache angenommen hat. Und wenn man Juristen fragt, dann ist es auch sehr zweifelhaft, ob ein Anwalt dauerhaft mit einem Legaltech zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenarbeiten darf, denn auch das – man ahnt es schon fast –  verstoße gegen das Berufsrecht.