Start-ups bringen frischen Wind in den Markt für Finanzdienstleistungen. Nicht allen gelingt aus dem Stand heraus der Durchbruch: Oft scheitern gute Ideen an Kapital und Reichweite. Unser Kolumnist wirbt deswegen für Kooperationen mit etablierten Playern.
Mittwoch ist Kolumnentag bei WirtschaftsWoche Gründer: Heute schreibt Niklas Veltkamp, Mitglied der Geschäftsführung beim Branchenverband Bitkom und dort für Start-ups zuständig.
110 Millionen Euro für Kreditech – das war letzte Woche eine der Top-Meldungen aus der deutschen Start-up Szene. Menschen, die von etablierten Banken nicht als interessante Kunden oder als nicht kreditwürdig eingeschätzt werden, können über Kreditech ein Darlehen erhalten. Das funktioniert dank digitaler Technologien, denn die Kreditwürdigkeit bestimmt dabei ein Algorithmus, der mit Hilfe von Machine Learning und Artificial Intelligence bei jeder neuen Kreditvergabe weiter dazulernt und so immer genauere Angaben für das Kreditmanagement machen kann.
Während Kreditech auf Erfolgskurs schwimmt und sich über die große Finanzspritze freuen kann, können nicht alle Fintechs der rauen See trotzen, wie das Beispiel Cashboard zeigt. Das Berliner Start-up hat einen digitalen Finanzberater, einen sogenannten Robo-Advisor, entwickelt – und musste am Montag Insolvenz anmelden. Gute Zeiten, schlechte Zeiten in der deutschen Fintech-Branche?
Bei vielen Banken wird eher auf das Scheitern innovativer Ideen gesetzt. Einer Bitkom-Studie zufolge hält nur jeder vierte Finanzexperte Start-ups für eine ernsthafte Konkurrenz. Dabei ist es längst Zeit, aufzuwachen und sich die vielfältigen Geschäftsmodelle der Fintech-Start-ups anschauen. Sie belegen das große Potenzial, das in digitalen Technologien und ihrer Anwendung auf dem Finanzmarkt steckt, um den Markt aufzumischen. Kreditech und Cashboard sind zwei Beispiele dafür, wie es laufen kann. Zwischen Scheitern oder durch die Decke gehen ist so ziemlich alles möglich. Fintechs spielen eine immer größere Rolle in der Branche und sorgen mit dafür, dass das Banking im digitalen Zeitalter ankommt.
Den Kunden immer im Blick
So öffnet das Berliner Start-up Raisin dem Privatkunden internationale Märkte. Der Anleger kann selbst selbst entscheiden, wo in Europa er sein Geld anlegen will. Dazu eröffnet er ein „WeltSpar-Konto“ und kann sein Erspartes anschließend bequem per Onlinebanking bei allen europäischen Partnerbanken anlegen – je nachdem, wo die Zinsen am höchsten sind.
Auch ein weiteres Start-up aus Berlin arbeitet daran, dass man aus seinem Geld mehr machen kann: Optiopay hat ein System entwickelt, mit dem Unternehmen ihren Kunden oder Mitarbeitern statt eines Geldbetrags höherwertige Gutscheine auszahlen können. Dabei schlägt Optiopay gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Kunde oder Mitarbeiter freut sich über den Mehrwert und der Kunde von Optiopay freut sich über die Provision, die Optiopay von seinen Gutscheinpartnern erhält und mit ihm teilt.
Nicht nur mit höherwertigen Gutscheinen kann man seine Mitarbeiter glücklich stimmen, sondern auch mit Zuschüssen zum Mittagessen. Das weiß auch Spendit aus München und hat deshalb die Essensmarke digitalisiert. Mit Lunchit können Angestellte in der Mittagspause ein Restaurant ihrer Wahl besuchen. Anschließend fotografieren sie die Rechnung, reichen diese per App ein und erhalten bis zu 6,27 Euro des Betrags steuerfrei am Ende des Monats mit der Gehaltsabrechnung erstattet.
Von Geldanlagen in Europa bis zur digitalen Essensmarke: Die Bandbreite der Themen, mit denen Fintechs sich befassen, ist riesig. Viele Angebote sind dabei auf die Integration von bestehenden Banking-Funktionen angewiesen. Hier hilft figo, nach eigenen Angaben Europas erster Banking Service Provider. Das Fintech aus Hamburg hat eine technologische Plattform entwickelt, auf der Finanzdienstleister ihre Daten einbetten können. Diese Daten können dann andere Services und Anwendungen nutzen. so schlägt figo die Brücke zwischen traditionellem Banking und innovativen Finanzservices.
Dass aus einem Fintech in kürzester Zeit auch eine Bank werden kann, hat N26 eindrücklich gezeigt. 2013 bot N26 – damals hieß das Start-up noch Papayer – eine aufladbare Geldkarte für Teenager an, deren Ausgaben die Eltern mittels App überwachen konnte. Nach dem Pivot zur Banking-App, kam im Sommer der nächste Meilenstein für das Berliner Fintech: die Banklizenz. Heute ist N26 wohl eine der bekanntesten Direktbanken, die sich auf die Kontoführung per Smartphone spezialisiert hat.
Ein großer Vorteil vieler Fintechs ist es, dass sie ihr ganzes Geschäftsmodell auf den digitalaffinen Kunden von heute ausrichten und diesen in den Mittelpunkt stellen. Das fängt bei Mobile Payment an, das überall und zu jeder Zeit genutzt werden kann, und geht bis hin zu einfachen und transparenten Verfahren bei der Kreditvergabe. Außerdem können Fintechs – anders als etablierte Banken und Finanzdienstleister – schnell und agil auf Kundenwünsche oder aktuelle Trends reagieren. Sie können zum Beispiel neue Services und Angebote schneller einbinden und genauso schnell umsteuern, wenn etwas nicht funktioniert.
Oft fokussieren sich Fintechs dabei nur auf einen ganz bestimmten Bereich oder ein bestimmtes Problem der Finanzbranche, andere versuchen die Bank der Zukunft zu bauen. Unstrittig ist die Rolle von Fintechs als Innovationstreiber und somit als idealer Partner für das eigene Unternehmen. Denn von der Zusammenarbeit zwischen Start-ups und etablierten Finanzdienstleistern profitieren letztendlich beide Seiten: Banken und Co. können neue Technologien und kundenorientierte Lösungen in ihr Angebot mit aufnehmen und ihr Geschäftsmodell so weiter digitalisieren – beispielhaft sei hier die Kooperation der DKB mit Cringle, einer mobilen Zahlungslösung für Privatpersonen, genannt. Start-ups profitieren bei einer solchen Kooperation vor allem vom großen Kundenstamm und der Reichweite. Denn was viele nicht wissen: Einige Banken verzeichnen mindestens genauso viele Seitenaufrufe wie die größten E-Commerce-Shops in Deutschland.
Ein physischer Ort, der solche Kooperationen vorantreiben soll, ist der FinTech Hub in Frankfurt. Er ist Teil der Digital Hubs Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums und die Anlaufstelle für das Fintech-Ökosystem in Deutschland. Hier können Start-ups und etablierte Unternehmen, Politiker und Wissenschaftler gemeinsam an Ideen und Konzepten für die Digitale Transformation der Branche arbeiten. Damit dreistellige Millionen-Finanzierung für Fintechs in Deutschland bald die Regel sind – und nicht eine erfreuliche Ausnahme.