Ein direkter Draht zu Firmen wie BASF, Roche oder SAP – aber noch zu wenig Aufmerksamkeit von Investoren. Living Brain berichtet aus dem Start-up-Ökosystem im Rhein-Neckar-Gebiet.

Heute ist Kolumnentag bei WirtschaftsWoche Gründer. In regelmäßiger Folge berichten Start-ups, die sich in den über das ganze Land verteilten Digital Hubs engagieren, aus ihrem Ökosystem. Vor einigen Wochen war Hamburg dran. Heute berichtet Julian Specht (im Bild links) von Living Brain. Das junge Unternehmen mit Sitz in Heidelberg ist Teil des Digital Health/Chemistry Hubs, der in Ludwigshafen und Mannheim angesiedelt ist.

Ihr seid Teil des Digital Health/Digital Chemistry Hubs in Ludwigshafen und Mannheim. Warum?
Für uns ist es sehr wichtig, sich mit Unternehmen, etablierten Start-ups oder Partnern austauschen zu können. Als Start-up hat man anfangs noch nicht die Ressourcen und Kontakte. Der Hub konzentriert beides. Wir hatten im Hub Programme, bei denen unser Geschäftsmodell auf Herz und Nieren geprüft wurde und wir mit Mitarbeitern von BASF, Roche oder SAP sprechen konnten. Wir denken, dass ein erfahrener Blick helfen kann. Und da ist ein Hub super, egal, in welchem Stage man gerade ist. Daher kann ich persönlich auch nicht nachvollziehen, wenn sich Gründer innerhalb der lokalen Gründerszene nicht vernetzen.

Was gefällt euch am Ökosystem vor Ort?
Uns gefällt besonders, dass wirklich alle Städte in der Region Rhein-Neckar eine lebendige Gründerszene etablieren möchten. Sie tun sehr viel dafür, Start-ups hier anzusiedeln und es auch attraktiv zu machen, hier zu bleiben, etwa, indem sie die nötigen Räume schaffen. Die Region hat viel Potenzial, weil schon etablierte Unternehmen angesiedelt sind und hier technologische Innovationen existieren. Für uns als Medizin-Start-up ist es daher zum jetzigen Zeitpunkt sehr attraktiv, hier zu bleiben.

Woran mangelt es noch – und warum?
Im Idealfall würden die Initiativen noch enger zusammenarbeiten. Wir haben verschiedene Accelerator-Programme hier in der Region, teilweise von der Digital Hub Initiative, teilweise vom Technologiepark Heidelberg, teilweise von der Stadt Mannheim gefördert. Da merkt man manchmal, dass es gerade zwischen den Start-ups auf dieser Ebene noch mehr Zusammenarbeit geben könnte und dass sich das auch positiv auf die gesamte Gründerszene auswirken würde. Es gibt bisher noch kein Format, das die Kräfte aller Start-ups in der Rhein-Neckar-Region bündelt.

Wie hat sich die Nähe zu anderen Gründern für euch ausgezahlt?
Wir sind 2018 durch das Exist-Gründerstipendium gefördert worden und da war es super, sich im Prozess der Antragsstellung mit bereits geförderten Start-ups auszutauschen. Im Grunde kann der Austausch mit anderen Gründern aber in jeglicher Hinsicht dabei helfen, Fehler zu vermeiden, die der jeweils andere gemacht hat. Sowohl bei den Mentoren, als auch bei den Gründern ist die Bereitschaft zu allen Themen zu helfen sehr groß.

Wie leicht findet ihr in eurer Region Mitarbeiter?
Wir hatten bisher tatsächlich noch keine Schwierigkeiten. Ein Grund ist, dass wir sehr spezifische MItarbeiter suchen, zum Beispiel Entwickler für Gaming in virtueller Realität. Wir haben hier Hochschulen, die genau das anbieten. Zudem haben wir einen guten Draht zu den Hochschulen, so dass wir dort gut Personal anwerben können. Außerdem haben wir das Glück, dass sich Leute initiativ bewerben. Bisher sind wir also in einer sehr bequemen Lage, das wird aber vielleicht nicht immer so sein.

Und wie steht es in eurem Ökosystem um den Zugang zu Kapital?
Das ist tatsächlich ein Punkt, wo ich glaube, dass es hier schwieriger ist als in größeren Gründerszenen. Es gibt hier lokale Förderprogramme, zum Beispiel das Programm „Startup BW Pre Seed“, das ist eine sehr attraktive Sache für Gründer in dem Stage. Man merkt, dass sich die Kapitalgeber noch stark auf die etablierten Gründerszenen konzentrieren. Ich denke, das ist ein Punkt, wo die Geldgeberszene Nachholbedarf hat: Dass man rausgeht aus den großen Hubs und mal ein Auge auf kleinere Gründerszenen wirft, wo genauso interessante Start-ups entstehen.

Wie gut gelingt die Zusammenarbeit mit Mittelständlern und Konzernen?
In unserem Fall gelingt die Zusammenarbeit gut. Wir waren bei Merck in Darmstadt im Accelerator Programm. Der Wissensaustausch mit erfahrenen Corporates hat uns zu diesem Zeitpunkt für die Weiterentwicklung und die Credibility sehr geholfen. Wir stehen nach wie vor eng in Kontakt mit verschiedenen Mittelständlern und größeren Unternehmen in der Region.

Würdet ihr euch von – lokalen oder regionalen – Behörden und Verwaltungen mehr Unterstützung wünschen?
Auf sehr lokaler, städtischer Ebene fühlen wir uns sehr gut aufgehoben, da die Stadt einiges dafür tut, dass Start-ups gefördert und Türen geöffnet werden. Im Medizinbereich sind aber die Hürden doch recht hoch, wenn es um digitale Lösungen geht. Wenn wir eine Studie durchführen möchten, müssen wir sehr viele Regularien beachten. Ich glaube, man könnte die Prozesse noch start-up-freundlicher machen, da hier nicht zwischen großen etablierten Pharmaunternehmen und einer Gründung mit fünf Mann unterschieden wird. Da würde ich mir mehr Unterstützung und bessere Rahmenbedingungen wünschen, so dass auch kleine Player den Weg in den Markt finden.