Herr Brüderle, Ihr Amt dürfte in der Wirtschaftskrise große Aufgaben mit sich bringen – von der Konsolidierung der Banken mit Staatsbeteiligung über die Verbesserung der Kreditsituation im Mittelstand bis hin zu den Gesprächen über die Opel-Zukunft. Wie viel Zeit bleibt Ihnen da überhaupt, sich um Unternehmensgründer zu kümmern?

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, 64,
will in Deutschland wieder eine echte Gründungskultur schaffen.
(Foto: BMWi/Ossenbrink)
Ich stehe dafür gerade, dass die Belange des Mittelstandes und gerade der Gründerinnen und Gründer in unserem Lande in meiner Amtszeit nicht zu kurz kommen werden. Gründungen sind Garant des Wettbewerbs und Motor für Innovationen. Als Frühaufsteher werde ich mir schon deshalb jeden Tag das notwendige Zeitfenster für Mittelstand und Existenzgründungen freizuhalten wissen.
Die Zahl der Gründer stagniert in Deutschland, die der High-Tech-Gründer sinkt sogar. Warum ist es hierzulande derzeit so unattraktiv, ein Unternehmen aufzubauen?
Weit wichtiger als der reine Blick auf die Zahlen ist mir die Nachhaltigkeit von Gründungen. Wir brauchen in der Tat mehr Menschen in Deutschland, die sich mit einer spannenden Geschäftsidee mit Aussicht auf Erfolg selbstständig machen wollen. Dazu müssen wir wieder eine echte Gründungskultur etablieren.
Wie wollen Sie diesen kulturellen Wandel schaffen?
Dazu gehört, dass wir jungen Menschen frühzeitig Mut machen, später den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Auch die Rahmenbedingungen für Gründungen können noch verbessert werden. Das reicht vom Bürokratieabbau bis hin zu Veränderungen im steuerlichen Bereich. Außerdem starten wir 2010 eine Gründeroffensive.
Was verbirgt sich dahinter?
Maßnahmen, die dem Gründungsgeschehen neue Impulse geben. Das reicht von Projekten in der Schule bis hin zur Sicherung der unternehmerischen Nachfolge. Wir werden das Gründungsthema stärker in der Öffentlichkeit platzieren. Auch die Hochschulen werden aktiv an das Gründungsthema herangeführt und entsprechende Ausgründungen unterstützt. Außerdem wird das Ministerium sein Informationsangebot für Gründer weiter ausbauen.
Auch im internationalen Vergleich gilt Deutschland als wenig gründungsfreundlich. Wie erklären Sie sich das?
Manch ein Genehmigungserfordernis, das in anderen Ländern laxer gehandhabt wird, gibt es mit gutem Grund. Dennoch werde ich nichts unversucht lassen, den Bürokratieabbau gerade auch im Gründungszusammenhang massiv voranzutreiben. Übrigens ist nach dem jüngsten Global Entrepreneurship Monitor der Ruf von Gründern in Deutschland nicht schlechter, sondern noch ein bisschen besser als in den USA. Zumindest das Gründerbild ist also gar nicht so schlecht hierzulande.
Langer Weg
Das wird ein langer Weg. Wir haben in Deutschland keine privatwirtschaftliche Infrastruktur für Start-ups.
Außer der Weiterentwicklung der Internetbestellung der Pizza Apollo mit Extra Oliven zum kundenkonfigurierten Müsli gähnt einen der Innovationsgrad an.
Die Start-Up Finanzierer sind durchsetzt von Persönlichkeiten denen ich nicht mal einen Hotelschlüssel hinterlegen würde, geschweige denn meine Geschäftsidee.
Die einzigen relevanten Start Ups sind SAP, Xing und StudiVZ. Allen gemein, dass sie inzwischen von Konzernen oder Konzernmentalität eingefangen wurden. Obwohl StudiVZ und Xing Goldgruben wären, eiern die Uninnovatoren an den Geschäftsmodellen herum.
Deswegen – das ist ein sehr langer Weg. Und kein lukrativer in Deutschland. Ich bin “Gründer” und Jungunternehmer aber langsam steht es mir bis Unterkante-Oberkiefer.
Wer in Deutschland ein Start Up gründet, muss einen ausgeprägten Hang zum Masochismus haben. Ein großer Knüppel für Bedenkenträger sollte jeder Seed-Förderung beigelegt werden, wenn die Initiative von Herr Brüderle Früchte tragen soll.
Wolfgang
Die Forderung hört sich gut an und ich kann die eigentlich unterstützen. Allerdings gehe ich davon aus, dass Herr Minister noch nie in seinem Leben ein Unternehmen gegründet hat. Da ist der Gründer, nehmen wir einmal einen ganz kleinen Kiosk oder eine Kneipe, die Hälfte seines Kapital los für alle möglichen und unmöglichen Genehmigungen. Und das nicht genug. Da gibt es die Handwerks- und Industrie- und Handelskammern mit ihrer aus der Nazizeit stammenden Zwangsmitgliedschaften. Die kassieren auch kräftig ab ohne i.d.R. eine Leitung für das Zwangsmitglied zu erbringen. Wenn ich böswillig wäre, dann würde ich die mit einem Zuhälter vergleichen wobei der Unterschied dann der wäre, dass selbiger bevor er abkassiert seine Mädchen noch zur Arbeit bringt.
Aber auch die Steuergesetzgebung macht es Gründern schwer. Mein Schwager lebt und betreibt zwei Betriebe in Japan. Seine Steuererklärung bekommt er auf ein DIN A 4 Blatt. Betriebsprüfungen oder Prüfungen durch die Sozialversicherung sind unbekannt, zumindest für kleine Betriebe. Herr Minister, wenn Sie es schaffen und in D nur halb so weit zu bringen wie die Japaner sind, dann haben Sie alle Orden und Auszeichnungen verdient welche dieses Land zu vergeben hat.
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John M
In Deutschland ein High Tech Start-up zu gründen, ist eine Sackgasse. Es fehlt an mutigen Menschen die an ihre Vision glauben und mit Biss umsetzen. Und wenn es sie doch gibt, können sie es nicht umsetzen, weil Investoren dermaßen ANGST vor einem Fehlschlag haben, dass sie gar nicht investieren. Ich empfehle jeden High Tech Gründer im Bereich Internet, Mobile oder Software: GEHT IN DIE USA – BLEIBT NICHT IN DEUTSCHLAND! Oder klaut ein Konzept, was in den USA funktioniert. Fangt bloß nichts ganz neues an, ihr werdet scheitern!
Mariposa
Junge Menschen in Deutschland streben in erster Linie eine Karriere beim Staat oder bei einem Großunternehmen an. Das bringt mehr Prestige (und zunächst auch Geld) als bei einem Start up. Hier muß sich die Mentalität ändern, was besonders schwierig ist. Dazu kommen natürlich noch all die Probleme, wie von der Vor-Kommentatoren beschrieben. Das Vorhaben von Herrn Brüderle ist richtig, nur um es mit Goethe zu sagen: Die Botschaft hör ich wohl ….
Christian
Aus meiner Sicht und Erfahrung gibt es nach wie vor geniale Ideen und Menschen hier in Deutschland. Wer selbst schon einmal ein Startup gegründet oder es vesucht hat, kennt die Hürden und Hindernisse hier in Deutschland. Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, dann haben wir auch wieder die Gründer, die ein zukünftiges Gründerland Deutschland schaffen.
Wolfgang Schneider
Gründerkultur … wir werden unsere Aufgaben verstärkt auf Existenzgründungen, z.B. auch auf KMU’s ausrichten und an der Stärkung unserer Gründerkultur mitarbeiten.
MfG
Wolfgang Schneider
Wolfgang Schneider
Nachrtrag …
… unterstützend durch unseren
http://www.gruenderservice.de
Norbert Kraas
Herr Brüderle ist, mit Verlaub, ein gutmütig-labernder Minister auf dem Zenit der Macht. Er steht so wenig für Innovation und Start-up-Dynamik wie das nette Kaffeekränzchen älterer Damen, das unser Land von Berlin aus regiert. Oder sieht jemand, dass Frau Schavan vor Ideen und sprüht?
Aber nicht nur die sog. Elite hat ihre Schwierigkeiten mit einer dynamischen, offenen Gründer-/Unternehmenskultur. Wir betreuen u.a. einen feinen, weltweit agierenden, extrem offenen Hersteller von High-Tech-Schleifmaschinen, der weltweit den ersten Blog eines solchen Unternehmens betreibt: https://www.schleifblog.de
Leider ist die Teilnahme der Leser an einer fruchtbaren Diskussion bis jetzt hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Liegt dies auch dem z. T. arg verkrusteten Klima, das bei uns herrscht?