Keine Investoren, keine Finanzierungsrunden: Zwei erfolgreiche Gründer berichten, warum sie auf das Wachstum aus eigenen Mitteln setzen. Und die Chancen des Risikokapitals nur selten vermissen.

Kurz nach der Geburt des ersten Kindes erblickte auch die Geschäftsidee das Licht der Welt: „Wir waren auf der Suche nach schönen Geburtskarten“, berichtet Christoph Behn. Weil seine Frau und er die nicht fanden, machten sie sich daran, eine Website für die individuelle Gestaltung von Karten zu machen. Aus dem Projekt ist mittlerweile ein Unternehmen mit etwa 30 Millionen Umsatz geworden – die Kartenmacherei und ihre 120 Mitarbeiter verteilen sich überwiegend auf Standorte nahe des Ammersees, in München und in Hamburg.

Und all das ohne Geld von Banken oder Investoren: Die Kartenmacherei wuchs mit dem sogenannten Bootstrapping, bei dem Gründer die ersten Umsätze und Überschüsse in das Wachstum ihres Start-ups stecken. „Damals hatte ich den Begriff nicht im Hinterkopf“, sagt Behn heute, „aber ich bin auf jeden Fall ein Fan dieser Strategie. Wer zu früh und zu schnell skaliert, schielt meiner Meinung nach eher auf das große Geld und ist weniger bemüht, ein sinnvolles Geschäftsmodell aufzubauen.“

Auch Axel von Leitner setzt auf diesen Weg. Der Kölner ist Mitgründer von 42he, einer Software-Firma, die schwerpunktmäßig das Customer-Relationship-Management-System CentralStationCRM entwickelt und vertreibt. Aus einer Eigenentwicklung für die studentische Unternehmensberatung Oscar wurde so ab 2010 ein kleines Unternehmen, Schritt für Schritt kamen dann die ersten Umsätze dazu: „Wir haben uns gesagt, wir machen das alleine“, sagt von Leitner heute – mit 15 Mitarbeitern im Team.

Ein ungewöhnlicher Weg, insbesondere bei digitalen Geschäftsmodellen: Investoren, die an solche Businesspläne glauben, wollen mit ihrem Kapital als Katalysator helfen – die Millionenfinanzierung können Entwicklungs- und Vertriebskraft entschieden stärken. Nur so überspringen einige erfolgreiche Gründungen eine mühsame Wachstumsphase und werden rasch vom Kleinbetrieb zum internationalen Unternehmen.

Es gibt jedoch auch andere Stimmen: Wer aus eigenen Umsätzen wächst, kann sich auf das Produkt konzentrieren. „Schnelligkeit ist nicht immer von Vorteil, nach einer Finanzierungsrunde wird man zudem schnell von Investoren getrieben – und nach einer Runde folgt schnell eine zweite und dritte““, sagt Behn. Auch von Leitner teilt diese Sorgen: „Das Geld auf dem Konto muss ausgegeben werden. Und wenn dann keine Umsätze folgen, muss man mit einer schlechteren Verhandlungsposition wieder zum Investor.“

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US-Wissenschaftler, die bei knapp 200 Start-ups nach den Ursachen für das Scheitern forschten, fanden heraus: Das Geld ging den Unternehmen aus, die mit fremden Gelder finanziert wurden. Und nach dem Ausbleiben des Erfolgs mit zahlreichen Mitarbeitern auf der Gehaltsliste und teuren Großraumbüros dastanden.

Dass es dafür langsamer zugeht, nehmen die beiden Gründer in Kauf. Bei 42he blieben die beiden Gründer zu Beginn bei ihrem studentischem Lebensstil und konzentrierten sich auf die Programmierung ihrer Software, erst vorsichtig kamen die ersten Kunden an Bord. „Wenn man früh viele Kunden gewinnt und das Produkt noch nicht geschärft ist, dann gehen diese Kunden auch schnell wieder“, sagt von Leitner.

Zu Beginn lief die Kartenmacherei neben Behns normalen Job, die ersten Kundenrückmeldungen lenkten das Produkt in die richtige Richtung. Für seinen Karten-Konfigurator etwa stand ein niedriger fünfstelliger Betrag aus eigenen Ersparnissen bereit – und parallel dazu eine Wunschliste mit etwa 100 Optionen, die das Programm erfüllen sollte. „Nach den 20 wichtigsten Features war aber einfach Schluss – und nachgebaut haben wir die anderen auch nie“, sagt Behn, „das Budget zwingt mich ganz klar zum Fokus. “

So zufrieden beide Gründer sich mit ihrem Weg zeigen – verteufeln wollen sie das Investoren-Modell keineswegs. Behn konnte für den Start auf etwas Erspartes aus seinem Beraterjob zurückgreifen, von Leitner erhielt noch einen staatlichen Gründerzuschuss – beides erleichterte den Start. Insbesondere bei Geschäftsmodellen wie Marktplätzen, auf denen ein „Winner-takes-all“-Modell vorherrscht oder hohe Investitionen in Technologie wichtig sind, kann fremdes Geld das Zünglein an der Waage sein.

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Fröhliche Finanzierungsmeldung sorgen zudem (wie auch bei WiWo Gründer zu sehen ist) für eine Öffentlichkeit und dienen häufig als Erfolgsnachweis. „Für das Recruiting können solche Meldungen hilfreich sein, aber ansonsten würden Investoren bei uns überwiegend für Ablenkung vom Tagesgeschäft sorgen“, sagt Behn.

Problematisch ist der Weg der eigenständigen Wachstumsfinanzierung auch, wenn ein lukrativer Exit eher kurzfristig angepeilt wird. Wo Investoren beteiligt sind, verlieren Gründer zwar Anteile – deren Wert aber wächst häufig schneller als beim Bootstrapping. „Wir haben kein Unicorn-Potenzial, vermute ich mal“, sagt Behn gelassen, „aber wenn ihnen 100 Prozent des Unternehmens gehören, dann brauchen sie das auch nicht.“

Gleichzeitig genießen die Gründer die Freiheiten für eigene Entscheidungen. „Wir brauchen da zum Glück keinen Dreijahresplan“, sagt Behn. Aktuell versucht die Kartenmacherei, den französischen Markt zu erobern – und gleichzeitig die Start-up-Kultur im gewachsenen Team nicht zu verlieren.

Von Leitner und Mitgründer Moritz Machner haben sich unterdessen einem weiteren Projekt angenommen, mit dem sie nicht allzu weit weg sind von Behns Kartenmacherei: Mit EchtPost wollen sie individualisierte Postkarten als Marketingmittel für kleinere Firmen populär machen. Die Idee stammt von einer befreundeten Kölner Gründerin – mit technischer Unterstützung ist das Produkt jetzt seit wenigen Wochen im Einsatz. Die ersten Kunden für Last-Minute-Weihnachtskarten konnten über die bestehende CRM-Plattform trotzdem gefunden werden. „Wenn da jemand Millionen drauf schmeißt, ist da ein ganz anderer Druck“, sagt von Leitner. „Wir können das jetzt leicht und langsam wachsen lassen.“