Jahresbeginn, Zeit zum Nachdenken – wie Gründer mit der richtigen Haltung zum Erfolg finden, erklärt Ethikprofessor Gerhard Minnameier: Teil zwei unserer Serie.
Als Professor für Wirtschaftsethik und Wirtschaftspädagogik beschäftigt sich Gerhard Minnameier mit der Frage nach der Moral des unternehmerischen Erfolgs. An der Frankfurter Goethe Universität forscht er unter anderem zur Entwicklung moralischen Denkens und Handelns in wirtschaftlichen und beruflichen Kontexten. Im Interview mit WirtschaftsWoche Gründer verrät er, mit welcher Einstellung Start-up-Unternehmer erfolgreich sind.
Herr Minnameier, bei Gründern ist der Terminkalender immer voll. Warum sollten sie sich auch noch mit Ethik beschäftigen?
Das ethische Denken hilft dabei, unternehmerisches Handeln in die richtige Perspektive zu rücken. In der Öffentlichkeit wird Wirtschaft häufig als unmoralisch und kühl gesehen: Firmengründer versuchen mit irgendeiner Idee irgendwie besonders viel Geld zu machen. Ich halte das für sehr problematisch, vor allem, wenn es um Jungunternehmer geht. Sie denken vielleicht: Ich muss an mich Denken und auch mal „Schwein sein“, um wirtschaftlichen Erfolg zu haben – also am besten Marktpreise diktieren und vom Kunden so viel abziehen wie möglich. Dabei bedeutet Erfolg aus meiner Sicht nicht zwangsläufig moralische Schwäche.
Sondern?
Firmen sind immer an sogenannten Win-Win-Spielen beteiligt. Wer eine Idee wirklich zum Erfolg führen will, muss deshalb in erster Linie kooperativ denken. Das heißt: Wie schaffe ich einen echten Mehrwert für meine Kunden? Wie baue ich vertrauensvolle Beziehungen mit ihnen und zu meinen Zulieferern auf – auch, wenn ich mit ihnen zum Teil in Konkurrenz stehe? Das erfordert enormes marktwirtschaftliches Geschick, aber auch Erkenntnis und Einsicht, dass der Markt eine Institution ist, die Innovation und Kooperation zum beider- oder allseitigen Vorteil hervorbringt.
Trotzdem müssen Start-ups mit dem Wettbewerb umgehen. Wie?
Mit verständigem Abstand. Als erstes müssen Gründer die Regeln der Marktwirtschaft verstehen und zu würdigen wissen. Das heißt: den Wettbewerb als Regulativ und als Methode zur Kooperation über die Grenzen der Sympathie hinaus zu verstehen. Der Wettbewerb ist schließlich weder Glücksspiel, noch ein Übel, das wie die Pest über uns gekommen ist, sondern er ist bewusst implementiert, und wir versuchen ihn sogar vor Wettbewerbsbeschränkungen zu schützen. Ziel ist, Verbesserungen für die Gesellschaft zu erreichen.
Wenn zum Beispiel eine Innovation sehr hohe Preise erzielt, dann werden seitens der Anbieter zwar hohe Profite realisiert, aber zugleich ist das ein Anreiz für den Einstieg neuer Anbieter. So wird der Bedarf für alle gedeckt und das Preisniveau bei steigendem Angebot fallen. Andererseits heißt Wettbewerb aber auch: Gründer müssen immer mit dem Scheitern rechnen. Es passiert ständig, dass Kunden gewisse Produkte nicht annehmen, obwohl sie gut sind, oder dass die Konkurrenz einfach stärker ist. Gründer müssen akzeptieren, wenn andere besser sind. Insofern müssen sie fair und bescheiden sein und bleiben.
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Und im Zweifelsfall die Idee einfach aufgeben?
Nein, nicht direkt. Zunächst geht es darum, eine positive Einstellung zum Scheitern zu entwickeln. Wer das Scheitern locker sieht, bleibt psychisch gesund und erhält sich die innere Ruhe. Natürlich ist das gar nicht so einfach, wenn man gerade mit wehenden Fahnen in eine neue Firma startet: Einerseits müssen Gründer hochoptimistisch sein und für ihre Sache brennen. Andererseits dürfen sie auch nicht die Welt zusammenbrechen sehen, wenn es nicht wie geplant funktioniert. Weil wir es besonders bei Innovationen mit sogenannten Winner-Takes-all-Märkten zu tun haben, ist es am Ende oft einfach eine Glückssache, welche Innovation die Gesellschaft tatsächlich annimmt – beziehungsweise wann und von wem.
Welche Erkenntnis ziehen Sie daraus?
Dass Bescheidenheit eine der wichtigsten Tugenden für Firmengründer ist. Manchmal klappt eine Idee, weil jemand die richtigen persönlichen Qualitäten mitbringt, weil er hart arbeitet und schlau ist. Aber das ist längst keine Garantie. Manche meinen ja, der Markt untergrabe Moral und Tugend, aber wie ich zu zeigen versucht habe, erfordert marktwirtschaftliches Handeln auch Markttugenden wie hart zu arbeiten, die Kunden- und Stakeholderperspektive einzunehmen, den Konkurrenzkampf und das Scheitern zu akzeptieren.