Das Berliner Start-up hält Arztbriefe und medizinische Unterlagen geschützt auf dem Smartphone bereit. Ein mächtiger Helfer aus der Apothekenwelt steigt jetzt als Gesellschafter ein.

Arztbrief, Impfpass, Medikationsplan: Beim Gang durch Arztpraxen können sich Massen an Unterlagen anhäufen. Die sind für den Patienten oft schwer zusammenzuhalten, für die Diagnose jedoch äußerst wichtig: „Als Arzt stellt man fest, dass Patienten in den wenigsten Fällen alle Unterlagen bei sich haben – das macht eine vernünftige Therapie-Option schwierig“, sagt Oliver Miltner. Der Berliner Orthopäde und Unfallchirurg hat deshalb das Start-up Doctorbox mitgegründet.

Gemeinsam mit Co-Gründer Stefan Heilmann und einem mittlerweile zehnköpfigen Team arbeitet Miltner seit 2016 an der geschützten App, um die wichtigen Unterlagen digital zusammenzuhalten. Jetzt fließt ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag in das Start-up, wie WirtschaftsWoche Gründer vorab erfahren hat. Als Ankerinvestor kommt das auf den Gesundheitsbereich spezialisierte Abrechnungsunternehmen Noventi an Bord. Daneben ziehen bestehende Investoren aus verschiedenen Branchen mit – etwa aus dem Gesundheitswesen (wie Labor Becker), aus der künstlichen Intelligenz (das Frankfurter IT-Haus Arago) und einige Finanzinvestoren.

Mehr digitalen Akten beim Arzt

Sie alle setzten darauf, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter fortschreitet. Im Fokus steht bei Doctorbox der Patient – im Unterschied zur häufig diskutierten elektronischen Patientenakte, die auch die digitale Kommunikation zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen erleichtern soll. Mittelfristig könnte die App sich jedoch auch zu einer elektronischen Patientenakte auswachsen, so die Pläne von Doctorbox.

Die Anwendug ist kostenlos für die privaten Nutzer. „Das Datensammeln von Patienten sollte nicht in einen Bezahlmodus umschwenken“, sagt Miltner. Irgendwann aber muss das Start-up mit dem Geldverdienen beginnen. Geplant sind kostenpflichtige Zusatzfunktionen, denkbar wäre etwa ein Zweitmeinungs-Portal. Ab 2020 könnte die Monetarisierung nach den Plänen von Doctorbox beginnen.

Unabhängig von Krankenkassen und Versicherern

Ähnliche Angebote gibt es auf dem Markt. Vivy wird bereits von einer ganzen Reihe an privaten und gesetzlichen Krankenkassen wie der Allianz, Barmenia oder DAK für ihre Versicherten unterstützt. Die Techniker Krankenkasse bewirbt seit einiger Zeit ihren „TK-Safe“ als „digitalen Datentresor“ für das Smartphone. Doctorbox will sich dagegen bewusst als unabhängige Alternative positionieren: „Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Daten nicht einer Versicherung gehören sollten, die vielleicht auch Lebensversicherungen oder Berufsunfähigkeitsversicherungen verkauft“, sagt Oliver Miltner.

Das Problem für das Start-up: Die Versicherer machen es über ihre große Mitgliederbasis viel leichter, neue Programme zu bewerben. Doctorbox geht den Weg über Ärzte und Apotheken, um für das eigene Produkt zu werben. Über einen „Notfallsticker“, auf dem zentrale Kontaktinformationen notiert sind, generierte das Start-up Aufmerksamkeit für seine App. Dazu kam kostspieliges Werben in den sozialen Netzwerken: „Online-Marketing alleine ist zu teuer – es kann nicht der Sinn eines Start-ups sein, dafür das eingesammelte Geld zu verpulvern“, sagt Miltner.

Mit mehr Marktmacht in die Apotheken

Das Ziel sind eine Million Nutzer im Laufe des Jahres 2020. Wie viele davon heute erreicht sind, will Miltner nicht verraten. Google gibt an, dass die Anwendung mehr als 10.000 Mal heruntergeladen wurde, die Apple-Version ist bereits ein halbes Jahr länger auf dem Markt. Klar ist jedoch: Wachstum ist für Doctorbox jetzt wichtig.

Dabei soll der neue Gesellschafter Noventi nun auch auch helfen. Laut Eigenbeschreibung ist das Unternehmen Marktführer, wenn es um die Abrechnung bei Apotheken geht. Noventi sei der „perfekte Partner für den indirekten Vertrieb, um die Doctorbox bekannt zu machen“, sagt Miltner. „In einer zunehmend vernetzten Versorgung wird die Wettbewerbsfähigkeit unserer Gruppe auch dadurch gestärkt, dass wir uns mit kompetenten Partnern vernetzen“, bewertet Noventi-Vorstandschef Hermann Sommer in einer Pressemitteilung den Einstieg.